Resümee des Moduls "Moritatenzelt"
(Kulturamt Neukölln/Bettina Busse) Zu Grunde liegt dem "Moritatenzelt" die Idee, Märchen von professionellen ErzählerInnen in ihrer jeweiligen Muttersprache erzählen zu lassen. Diese haben ca. zehn großformatige Illustrationen für ihre Märchen zur Verfügung, so dass die zuhörenden Kinder dem jeweiligen Märchen folgen können, auch wenn es nicht ihre Muttersprache ist, die gerade gesprochen wird.
Im Sommer 2006 standen für das Moritatenzelt Illustrationen zur Verfügung für Märchen aus Deutschland (Der Froschkönig), der Türkei (Die drei Brüder), Japan (Momo Tarou - der Pfirsichjunge), dem arabischen Kulturkreis (Die drei Freunde), Russland (Das Rübchen), Kamerun (Die Fliege und die Natter; auf Doulla vorgetragen), Lateinamerika (Der Frosch, der ein Schmetterling werden wollte; auf Spanisch erzählt), Polen (Der Drache Wawel) und Indien (Der Affe und das Krokodil).
Die Gestaltung dieser Bilder übernahmen jeweils auch Menschen, die aus dem jeweiligen kulturellen Kontext kommen - dies ist den entstandenen Bilder z.T. auch sehr deutlich anzumerken.
Im Juni - im Vorfeld und während der "48-Stunden-Neukölln" wurde nun auf dem Schulhof der Richard-Grundschule ein Zelt aufgebaut und mit Teppichen und Sitzkissen ausgestattet. Schulklassen und Kita-Gruppen konnten sich anmelden und dann zu 30- bzw. 60minütigen Terminen sich zwei bis drei verschiedene Märchen erzählen lassen. Am Wochenende war "offener Betrieb" und alle, die Interesse hatten, konnten im Wechsel die Märchen in den unterschiedlichsten Sprachen hören und betrachten.
Bei den Kindern, die dann an den "Märchenstunden" teilnahmen, war häufig zu beobachten, wie sie zunächst bei der Erzählung saßen und staunten, z.T. frustriert aussahen, weil sie nichts verstanden, unaufmerksam herumzappelten oder auch störten. Doch die MärchenerzählerInnen arbeiteten z.T. sehr professionell, sie nahmen vor allem immer wieder auf die Bilder Bezug, wiederholten einzelne Worte und zeigten dabei auf das entprechende Detail. Darüber konnten die meisten Kinder in ihrer Aufmerksamkeit doch gefesselt werden und merkten dann, dass sie über die Bilder die Inhalte der Märchen auch verstehen konnten.
Mit dem "Moritatenzelt" verbundene Ideen waren:
- Kindern, die zweisprachig aufwachsen, ihre besonderen Fähigkeiten deutlich machen; ihnen ein positiveres Selbstgefühl vermitteln - Kinder aus türkischen oder arabischen Herkunftsfamilien konnten plötzlich erleben, wie ihre KlassenkameradInnen im Gegensatz zu ihnen die Worte nicht verstehen; sie konnten aber auch bei der deutschen Märchenerzählung folgen.
- Den Kindern vermitteln, dass es außer Worten auch noch andere Möglichkeiten der Verständigung gibt.
- Bei Kindern den Spaß, das Interesse, die Lust an anderen Sprachen wecken - die meisten kamen heraus und konnten mindestens ein Wort in einer neuen Sprache sprechen, sie kamen auch heraus mit dem Gefühl, dass diese Sprache leicht zu erlernen sei, denn sie hatten ja alles verstanden.
- Bei den Kindern auch das Interesse an anderen Kulturen, Regionen, Bräuchen etc. wecken: eine der Mit-OrganisatorInnen ist koreanischer Herkunft und sie berichtete, dass sie mit jedem Tag länger, den das Moritatenzelt auf dem Schulhof stand, sie von den Kindern freundlicher und interessierter begrüßt wurde. Nachdem sie anfänglich noch Objekt von Verhöhnungen war (Begrüßung: "Ching Chang Chong" o.ä.), hatten sich die Kinder am dritten Tag schon ihren Namen gemerkt und fragten sie nach ihren persönlichen Lebensumständen.
Die Ergebnisse auf den unterschiedlichen Ebenen konnten auch immer im Anschluss an eine der Märchenerzählungen sehr gut beobachtet werden: wenn die/der jeweilige MärchenerzählerIn nach Beendigung des Vortrages auf deutsch nachfragte, was denn nun in der Geschichte vorgekommen sei, dann wurden einerseits interessante Neuschöpfungen vorgetragen, andererseiits aber auch sehr interessierte Nachfragen geäußert, z.B. über die Lebensumstände in Japan, ob Frösche in Argentinien denn auch alle grün sind, es wurde nach Begrüßungsformeln oder Schimpfworten in den verschiedenen Sprachen nachgefragt u.a.m.